· 

Alicante Frizzante – Das moderne Ankerbier

Mit Ryanair nach Alicante, mit Bus und Tram ca. 50 Minuten zum Club Nautico Costablanca und schon ging es mit schwerem Gepäck am Strand entlang mit Blick auf die Mika. Vornedran die kleine Mikados, das Beiboot, das ich im Mainzer Zollhafen schon mal selbst gerudert hatte. Darin zwei braungebrannte Frischverheiratete, die mich anstrahlen und pures Seglerglück verkörpern. Es ist ein freudiges Wiedersehen, an Bord der Mika gibt es erstmal ein kühles Ankerbier. Was ein Leben!

 

Die Bucht ist ein Traum, das Wasser ganz klar, die drei Meter bis zum Grund kann man gut abtauchen, das Boot liegt verhältnismäßig ruhig, das von mir gefürchtete Schaukeln hält sich in Grenzen. So lässt es sich echt aushalten!

Was macht man nun den ganzen Tag auf einem Segelschiff? Es ist erstaunlich, dass man gar nicht zu allem kommt, was man so machen könnte! Wir schlafen aus, dann wird gebadet und gemütlich gefrühstückt, man plant, man werkelt, man philosophiert und die Zeit verfliegt schneller als gedacht. Und alles dauert natürlich länger – vor allem bei 35 Grad und Sonnenschein. Das Outdoor-Erlebnis kommt mit kleinen Einschränkung, an die man sich anpassen muss. Die Toilette hat drei Hebel, die pro Toilettengang jeweils zweimal betätigt werden müssen, dazwischen 20 Mal per Hand die Salzwasserpumpe benutzt, das alles auf knapp einem halben Quadratmeter. Überhaupt kein Problem und man gewöhnt sich schnell dran, dauert halt länger, aber irgendwie hat man ja auch Zeit!

 

Der schönste Ort an Deck ist das Cockpit. Überschattet vom Sonnendach (Bimini auf seglerisch) und mit wunderschön und neu geöltem Teak verkleidet ein absoluter Platz zum Wohlfühlen. Auf meine Anregung haben wir einfach im Aldi noch zwei neue Polster für die Sitzbänke gekauft, was den Comfort schon ziemlich perfekt gemacht hat. Mangels Aperol Spritz im Supermercado erfinden wir kurzerhand einen passenden Sommerdrink – Pomelosaft mit Sekt, der „Alicante Frizzante“.

 

Blick aufs Wasser, permanent gibt es was zu gucken in so einer Bucht. Segelboote und Motoryachten kommen und gehen, man schaut ihnen beim meist eher kuriosen Ankermanöver zu oder versucht die Geschichte hinter den Bewohnern zu erraten. Unser Nachbarschiff ist eine Lucia 40 – ein neuer Katamaran, bewohnt von einem Letten, der 20 Jahre in Düsseldorf gewohnt hat. Da werden wir direkt zum Getränk eingeladen. Es wird ein lustiger Abend mit Live-Musik, Angelteaching und Katamaran-Besichtigung. Gesellig sind sie, diese Segler, gefällt mir!

 

Mit der Badeplattform immer direkt vor der Nase springe ich mehrmals am Tag ins Wasser, es ist einfach zu verlockend und auch vom Mini-Steg am Bug kann man super runterspringen. Marc ist eher wasserscheu oder findet einfach das Baden und den damit verbundenen Aufwand zu anstrengend - Es ist auch erstaunlich, wie träge man bei dem Wetter und dem Leben auf dem Boot wird ;-) Carlita ist auch eine Wasserratte, sie taucht mit Begeisterung den Anker ab – oder einfach mal unter der Mika durch, kann man ja mal machen.

 

Wir speisen ganz ausgezeichnet. Die Hängematten sind prall mit frischem Obst und Gemüse gefüllt, der wunderbare Kühlschrank der dank Solar- und Windenergie einfach und unkompliziert funktioniert, kühlt Käse, Wein, Bier und eigentlich alles was das Herz sonst noch begehrt. Auch der restliche Stauraum ist mit Lebensmitteln gut ausgestattet. Das ist toll. Dreimal am Tag gibt es schönes Essen, worauf man auch immer Lust hat, was deutlich zum Segelvergnügen beiträgt. Nix mit Camping-Küche und Dosenfutter, waren meine Vorurteile mal wieder alle falsch :D

 

Als Besucher kann man es sich einfach gut gehen lassen. Obwohl ich mich wirklich bemühe, in der Segelei und den Feinheiten der Bootsbauerei fortzubilden und mit anzupacken, ist es beeindruckend, was die zwei hier so leisten. Ein Boot hat überall kleine Baustellen, die müssen nicht immer alle sofort erledigt werden, aber irgendwann halt schon. Das salzige Seewasser ist korrosiv und zieht Feuchtigkeit, man ist im ständigen Kampf, das Salz so gut wie möglich vom Boot und vor allem vom Bootsinneren fern zu halten. Alle Teile, selbst die ganz Kleinen, sind unheimlich teuer. Ein Leben „on a budget“ mit dem Leben auf einem Segelboot – eigentlich nicht vereinbar. Und dann ist da noch das Wetter. Mehrmals die Stunde wird die Wetter- und Wind-App gezückt, die Wellen- und Windrichtung bestimmt, um mögliche Gefahren zu erkennen. Irgendwie hängt ja das ganze Haus mit Hab und Gut nur an einer Kette und dem 25kg Anker. Da ist nix mit doppeltem Boden. Man muss vertrauen, dass man richtige Entscheidungen trifft und dass der Anker hält. Da hilft dem alten Seebär wahrscheinlich die jahrelange Erfahrung, von der unsere Neulinge gerade erst mit jedem Erlebnis dazulernen.

 

Aber die Lernkurve ist steil, das ist deutlich. Die Zwei meistern die permanenten neu auftretenden und schwer einzuschätzenden Situationen meiner Meinung nach ziemlich großartig. Selten gibt es auch mal Frust oder Sorge, weil eben jede falsche Entscheidung gleich das Ende der ganzen Reise und im schlimmsten Fall sogar lebensbedrohlich sein könnte. Ein krasser Kontrast zu dem eigentlich unheimlich großartigen Urlaubsleben, man muss mit vielen Emotionen umgehen können.

 

Sehr spannend ist das. Und schön. Und anstrengend. Und großartig!

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Petra (Dienstag, 09 Juli 2019 20:16)

    Das liest sich alles super und die Bilder machen gute Laune, aber segelt Ihr überhaupt oder liegt Ihr nur vor Anker und genießt das süße Leben?