· 

Über Entscheidungsfindung an Bord, eine Überfahrt mit Höhen und Tiefen und den Klimawandel

Nach unserem Stadtausflug nach Malaga, wo wir diesmal in einem verlassenen Industriehafenbecken mitten in der Stadt (!) kostenlos ankerten, fuhren wir über Nacht nach Afrika. Unsere Planung: Bei erwarteten 4 Knoten (= 7km/h) Fahrt wegen launischem Wind würden wir 17 Stunden brauchen. Wir haben uns zur Routine gemacht, wenn möglich nicht nachts anzukommen. Hafeneinfahrten nachts sind zwar okay, ankern bei ausreichend großer, homogener Bucht auch, aber das zusätzliche Risiko ist es uns meist nicht Wert.
Also entspannte Nachtfahrt von Malaga nach Ceuta (spanische Stadt auf afrikanischem Kontinent).


Nachdem Nebel selbst im April auf der Nordsee kein Thema gewesen war, brachte uns nun der Levante (Wind aus Osten) bei Querung der Meerenge von Gibraltar eine dichte Suppe mit Sichten <50m. Die Schifffahrtsstraße ist eine der am meisten befahrenen der Welt. So kostete die Fahrt uns einige Nerven trotz aller möglichen digitalen Helferlein (Radar, AIS). Ein Schiff nach dem anderen fährt einem vor den Bug, wir lauschen ihrer langen Signaltöne in die Nacht. Und posaunen selbst unsicher in unsere Vuvuzela.

Völlig übermüdet kamen wir in Ceuta an. Der Hafenmeister antwortete nicht auf den Funk, die nach zwei Monaten dann doch mal benötigte Tankstelle war gerade in die Mittagspause gegangen, sodass uns nichts anderes übrig blieb als dort anzulegen und zu warten.

Eigentlich war geplant 1-2 Tage in Ceuta zu bleiben, das aktuelle Wetterfenster mit gerade so ausreichendem Wind aus der richtigen Richtung (Ost) zu nutzen, um Tarifa mit Rückenwind zu passieren und in den Atlantik zu kommen. Ziel war Sancti Petri, ein süßer Fluss mit Lagune zum Ankern, einige Meilen südlich von Cadiz (atlantisches Spanien).

Beim dreistündigen Warten auf den Tankwart Wettercheck: Morgen noch mehr Nebel, übermorgen ist vielleicht kein Wind mehr. Strömung und Tiden müssen in der Straße von Gibraltar und beim Zielort mit eingeplant werden, gerade beim Einlaufen in einen Fluss.
Eine Woche in Ceuta mit Warten auf ein neues Wetterfenster, wo alles zusammen passt? Das scheint nicht attraktiv. Nebel heute tagsüber keiner mehr laut Vorhersage. Also….ähm….jetzt(??) schon wieder weiter? ...Erstmal essen, erstmal überlegen.
Und schließlich,...nun gut, dann…jetzt Tanken und wieder los. Dann schaffen wir Tarifa noch im Hellen!

Unterwegs dann: Die Strömung stimmt nicht mit dem Tidenkalender überein, wir machen nur knapp 2 Knoten (3,5km/h) Fahrt über Grund, obwohl wir nur so über die Wellen surfen und 5,5,-6 kn Fahrt durchs Wasser machen. Wir sehen tausende Delfine, die sich am tosenden Wasser und den wirren, steilen Wellen erfreuen, sie springen, sie tauchen dicht unter der Oberfläche.

Es ist einer der großartigen Momente des Segelns.
Bei erneuter Querung der Schiffsautobahn plötzlich wieder dichter Nebel und weiterhin viel Wind.
Carlita steuert, ich überwache AIS, Radar und Funk. Als einer der Tanker über Funk nicht reagiert, müssen wir unter Segeln stark den Kurs in den Wind ändern, was die Anspannung noch erhöht. Man hört ständig das Nebelhorn, aber gesehen haben wir keinen einzigen der so nah und so schnell passierenden Tanker.

Mich hat das absolute Wellen- und Strömungswirrwarr im größten Flaschenhals der Welt mal wieder stark beeindruckt, und meine Nackenhaare stellen sich noch jetzt zu Berge, wenn ich mir vorstelle, wir hätten an einem der 300 stürmischen Tage im Jahr die Passage gemacht.
Dies war einer der belastenden Momente des Segelns.

 

Nach nunmehr zwei anstrengenden Nachtfahrten erreichten wir die Bay of Cadiz und ankerten bei Sonnenaufgang.
Die Einfahrt in den süßen Fluss ein paar Meilen zuvor, den wir angepeilt hatten, war wegen Dunkelheit und Ebbe nicht möglich. Für solch lange Fahrten lassen sich auch Ankunftszeiten nicht präzise planen und die Einfahrt in einen flachen Fluss ist oft nur einmal alle 12 Stunden bzw. mit Helligkeit einmal alle 24 Stunden machbar.
In Summe: Endlich haben wir mal wieder ordentlich Strecke gemacht nach dem vielen Gegenwind und Nicht-Wind östlich der Region von Malaga. Und es ist erstaunlich schön hier in der Bucht vor Rota.

Immerhin sind wir nicht die einzigen, die mit Unwägbarkeiten kämpfen: Selbst eine Maliza II, ein potenter „Vendee Globe“-Racer, der Greta Thunberg gerade in für uns atemberaubendem Tempo nach New York bringt, weicht auch mal hunderte Kilometer vom Kurs ab, um nicht mühsam gegen Wind und Welle fahren zu müssen.

Wir wünschen Greta Thunberg alles Gute auf ihrer am Mittwoch begonnenen Überfahrt, und hoffen, dass diese symbolträchtige Reise als Teil der „Fridays for Future“-Proteste noch mehr Menschen wach rüttelt, JETZT aktiv zu werden gegen die Klimakatastrophe. Geht wieder protestieren, bleibt nicht stumm, verfallt nicht in Resignation! „Fridays for Future“ ist jetzt für alle Altersgruppen! (fridaysforfuture.de/streiktermine/) Am 20. September entscheidet die Regierung über neue Klimagesetze, und Fridays for Future veranstaltet mit anderen Organisationen einen der größten Proteste weltweit!
Die Wetter- und Klimaveränderungen sind einem als Segler besonders präsent, aber auch in Deutschland kann man sie nicht übersehen.

Gerade die Politik mit ihrer üblichen und sonst so löblichen Arbeitsweise des „Kompromisses“ tut sich schwer, konsequent zu handeln. Aber mal ehrlich, es gibt hier kein Abwägen. Für die Menschheit ist es ausschließlich rational, ihren eigenen Untergang abzuwehren! (Und das selbst in dem Fall, wenn es Zweifel an den Szenarien gäbe! Daher gibt es aus meiner Sicht auch für die Zweifler keine Ausrede!) Wir sitzen wirklich alle im selben Boot. Der Klimawandel ist bereits in vollem Gange. Der Anstieg von 1,5°C ist an Land schon erreicht, im Meer sterben die Korallen schneller als gedacht und es werden größere Mengen an CO2 frei, als erwartet.
Es ist eben nicht mehr nur „fünf vor Zwölf“, sondern die allerletzte Chance, eine lebenswerte Welt für uns und unsere Kinder zu sichern.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0