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Der aufregendste Tag unseres Lebens

Auf den Iles du Salut haben wir uns von der Atlantiküberquerung exquisit erholen können. Nachdem wir unser Frischwassersystem umgebaut hatten, konnten wir in Ruhe die Inseln mit ihren Pflanzen, Früchten, Tieren und ehemaligen Gefängnissen erkunden. „Zum Glück“ hatten wir kein Internet, sodass wir uns noch nicht stundenlang um das Ersatzteil für den Autopiloten kümmern konnten.

 

Alles ist so anders als in Europa, die Vögel, die Bäume, die Gerüche, die Geräusche. Ich bin die ganze Zeit staunend und lächelnd durch die Gegend gestreift.

Mangos gab es im Überfluss, sodass man sie einfach unter dem Baum liegend aufsammeln konnte. Die Kokosnuss haben wir irgendwie aufgekriegt und konnten ihre Milch trinken. Den Rest der Kokosnuss haben wir mit den Affen geteilt, die hier nicht aufdringlich sind.

 

Die gelegentlichen Regenschauer (die Regenzeit hat gerade begonnen) sind zwar kräftig, aber meist kurz und warm, daher ist es eine willkommene Abwechslung zur sengenden Hitze im Sonnenschein.

 

Abgesehen von einem Dauerregentag, da ist unser Dinghy fast abgesoffen. Und wir wären fast gestorben, als uns eine freundliche Einheimische mit dem Auto mitnahm. Sie hatte die Spur vor lauter Regen nicht gesehen und ist auf der Gegenfahrbahn gefahren, wo wir um ein Haar mit einem LKW frontal zusammengestoßen wären. Im letzten Moment ist sie dann doch noch auf die rechte Spur gezogen und hat fröhlich weitergeschwätzt - wobei wir uns mit dem Französisch noch schwer tun und nur die Hälfte verstehen..                                                                                                                                                          

Pünktlich zum Raketenstart waren wir in Kouru im Fluss vor Anker. Wir mussten nachts um 2 Uhr aufstehen und wollten einen vom Ariane Space Center zur Verfügung gestellten Shuttlebus nehmen. Als wir beim Busfahrer fragten und unsere Tickets vorzeigten, sagte er: „Nein, der Bus fährt da nicht hin, ihr habt besondere Tickets, da gibt es keinen Shuttlebus, da müsst ihr mit dem Auto hinfahren.“

 

Aber Taxis gibt es hier nicht und ein Auto hatten wir auch nicht, also haben wir gesagt wir laufen die 6,5km, wir hatten genug Zeit. Aber der Busfahrer meinte kurzerhand: „Kommt mit, ich fahre euch mit meinem Auto!“ So sind die Leute hier, Wahnsinn! Im Ariane Space Center angekommen ging das Glück weiter. Sie hatten noch ein paar Plätze im VIP Bereich frei, sodass wir ganz vorne mit dabei waren!

 

Im letzten Moment wurde der Raketenstart dann leider verschoben, am nächsten Tag sollte zur gleichen Zeit ein erneuter Versuch stattfinden. Wir mussten also wieder eine Mitfahrgelegenheit organisieren und quatschten jeden an, der noch dort war. Dabei stellten wir fest, dass wir die einzigen Touristen waren, alle anderen waren Wissenschaftler, die an den Satelliten, die ins All befördert werden sollten, mitgearbeitet hatten. So hat sich der Tag trotzdem gelohnt, wir schlugen uns die Bäuche am Buffet voll, lernten ganz viel über den Satelliten „CHEOPS“, bis das Raumfahrtmuseum morgens öffnete. Dort trafen wir dann die einzigen weiteren Touristen, zwei französische Segler in unserem Alter. Sie hatten einen Mietwagen und konnten uns am nächsten Morgen um 2:30 Uhr am Steg abholen.

 

Diesmal schleusten wir die beiden mit in den VIP-Bereich und wurden Zeugen von einem einzigartigen Erlebnis. Beim Raketenstart waren wir andächtig, gerührt, bekamen Gänsehaut. Danach brach eine Erleichterung bei den Wissenschaftlern aus, man lag sich in den Armen, klatschte, gratulierte sich - sie hatten ca. 6 Jahre an dem Projekt gearbeitet.

 

Anschließend ging es in den Kontrollraum, wo die Knöpfe gedrückt werden (wobei heutzutage natürlich alles automatisiert abläuft). Dort verfolgten wir den Flug der Rakete und den Abschuss der einzelnen Satelliten, die sie im Gepäck hatte, sowie zahlreiche Interviews. Zuletzt bekamen wir noch ein Foto mit Didier Queloz, dem Nobelpreisträger für Physik dieses Jahres für die Entdeckung von Exoplaneten. Er meinte wir seien die wahren Helden hier, weil wir den Atlantik überquert hätten, hahaha!!!

Nach diesem Wahnsinns Erlebnis luden uns die Franzosen ein, sie bei einer Wanderung im Dschungel zu begleiten, also fuhren wir flink zum Boot, zogen uns um und gingen wandern. Auch das war ein großartiges Erlebnis, wir waren noch nie zuvor im Regenwald gewesen.

 

Als wir zum Auto zurück kamen, waren wir voller Glück über diesen tollen Tag. Auf der Straße hatte Marcs Handy dann wieder Empfang und bekam eine Nachricht von meinem Handy, das auf dem Boot lag: Ankeralarm – maximaler Abstand vom Anker überschritten. Uns ging die Pumpe, wir checkten die Position. Unser Boot war 165m vom Anker entfernt und lag laut GPS Position am Rand des Flusses auf 0m Tiefe im Grünen. Eine knappe Stunde Autofahrt mussten wir noch überstehen. Pierre-Yves, ein erfahrener Segler versuchte uns zu beruhigen und versicherte, sie würden uns helfen, das Boot wieder freizukriegen. (Obwohl auch sie die letzten 2 Nächte nur 3 Stunden geschlafen hatten).

 

Das Wasser stieg schon wieder als wir am Ort des Geschehens eintrafen und es war gerade noch nicht dunkel. Das Boot stand aufrecht, Gott sei dank, am Rand des Flusses und war in den Matschboden eingesunken.

Wir brachten den alten 16kg Anker und 50m Leine vom Heck mit dem Dinghy in Richtung Flussmitte aus, warfen ihn auf den Grund und zogen uns vom Segelboot aus an dem Heckanker aus der Misslage. Es gelang beim ersten Versuch. Der Heckanker griff und das Boot bewegte sich weg vom Ufer. Dann konnte ich den Motor benutzen und Mika steuern, um nicht auf einen Katamaran zu treiben, während Marc unseren eigentlich Anker aus dem Matsch zog. Die anderen beiden zogen den Heckanker an Bord und nun konnten wir unser übliches Ankermanöver fahren. (Von der Aktion gibt es leider keine Fotos, wir waren mit anderen Dingen beschäftigt ;))                                                                                                                 Was war passiert? Ein Nachbar wusste zu berichten, dass an diesem Tag besonders viel Wind war und dass an dieser Stelle schon einige Boote versetzt wurden. Auch unsere irischen Freunde waren geslippt, allerdings in Richtung Flussmitte und standen nun in der Fahrrinne, sie waren noch unterwegs und nicht erreichbar, aber das Boot war sicher, also gab es keinen akuten Handlungsbedarf.

Wir hatten vor einem kleinen Bachlauf geankert und vermuten, dass der Schlammboden hier besonders luftig und durch die Strömung viel Bewegung ausgesetzt ist. Daher ist der Halt hier wohl so schlecht.

 

Bei der improvisierten Pizza danach erzählten uns die Franzosen von einem Segelboot auf den Kap Verden, das auf Felsen geslippt ist und einen Totalschaden hat - für ihn ist die Reise vorbei.

Wir haben Glück, dass nichts kaputt gegangen ist und wir mit einem Schrecken davon gekommen sind!

 

Was für ein Tag – der aufregendste unseres Lebens.

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Kommentare: 6
  • #1

    Hilla und Günter (Mittwoch, 25 Dezember 2019 16:40)

    Nach all den Abenteuern wünschen wir Euch erholsame Festtage unter Palmen und für 2020 Gesundheit, Glück und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

  • #2

    Britta (Samstag, 28 Dezember 2019 10:47)

    Hello ihr beiden,
    meine Mutter und ich haben gerade wieder fasziniert eure Berichte gelesen - Glückwunsch zur Atlantiküberquerung und diesem weiteren gut überstandenen aufregenden Abenteuer, frohe Weihnachten nachträglich und alles alles gute für 2020 und Südamerika!!
    Hier in Worms ist alles halb so spannend, warme Weihnachten - wobei heute der erste Reif auf dem Dach ist, Iman hat einen neuen Job, Inga ist schon ein bisschen neidisch auf euch und meine Chefin hat gekündigt - das war mein größtes Weihnachtsgeschenk ;) ... alles alles Liebe
    Britta

  • #3

    Britta (Samstag, 28 Dezember 2019 10:49)

    Exzellente Blogschreiber*innen seid ihr übrigens :-*

  • #4

    Janina (Samstag, 28 Dezember 2019 16:27)

    Wow!!! Das klingt ja wirklich nach einer Menge (postivier und auch stressiger) Aufregung!
    Ich drücke euch ganz dolle! <3

  • #5

    Petra (Dienstag, 31 Dezember 2019 08:09)

    Dir, liebe Carlita, wünsche ich alles Gute zum Geburtstag und Euch beiden ein glückliches neues Jahr mit vielen weiteren, erfolgreich zu meisternden Abenteuern!
    Wir verfolgen mit Interesse Euren Blog, gruseln uns ein wenig beim Gedanken an lange, stürmische Überfahrten und beneiden Euch jetzt um entspannte Wochen in karibischen Gewässern. Weiterhin eine gute Zeit wünschen Euch die Münchener

  • #6

    Hilla und Günter (Dienstag, 31 Dezember 2019 23:32)

    Herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag! Möge Euch alles gelingen, was Ihr unternehmt.
    Toitoitoi!!!