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Einfach mal nichts tun

Wir sind ganz im karibischen Lifestyle angekommen und leben seit nunmehr zwei Wochen einfach so in den Tag hinein. Das Leben der Fischer und ihrer Familien spielt sich auf der Straße und in den Bars oder Imbissen ab. Statt „Hello“ und „Goodbye“ sagt man hier nur „ya man“ oder man kriegt einen „Fistbump“. Schon mittags riecht es allerorts nach Gras, die Laune ist prächtig und abends haben alle rote Augen. Marihuana wurde vor wenigen Wochen legalisiert.

Und wenn man nach dem Bus fragt, kriegt man zusätzlich die Info, wo es heute ein günstiges Mittagessen gibt, wo morgen eine Party stattfindet oder wie man Kochbananen am besten zubereitet.

 

Es ist toll, eine so gesunde Gesellschaft zu erleben, von der wir inzwischen ein kleiner Teil geworden sind. Charlotteville ist ein verwunschener kleiner Ort am nördlichen Ende der Insel Tobago, in dem die Welt noch in Ordnung ist. Ob Tag oder Nacht, man fühlt sich hier sicher auf den Straßen. Den „Yachties“ wird nichts gestohlen. Die Einwohner wissen, dass wir Yachttouristen unser Geld im Ort ausgeben. Wir kaufen ihren Fisch, gehen in ihre Restaurants und Supermärkte, leihen Autos, lassen die Wäsche waschen, … Wobei man die Auswahl im Supermarkt an 2 Händen abzählen kann (unser Boot hat mehr Lebensmittelvorräte in der Bilge als der Laden) und das Obst und Gemüse von der Inderin nebenan ist teurer als Fisch. Daher gehen wir gerne essen, das ist letztlich, wenn man Glück hat, billiger.

 

Die Menschen sind bescheiden hier, man möchte nicht mehr haben als der andere, man möchte nur genug haben zum Leben. Die Fischer haben kleine Boote, mit denen sie so angeln wie wir, mit Leinen und Ködern, manche haben auch Fischfallen, aber es gibt keine großen Trawler mit Schleppnetzen, die mit einem Mal den ganzen Küstenstrich leer fischen und den Meeresgrund zerstören. Daher überfischen sie ihr Gebiet nicht und haben hoffentlich noch für viele Jahre genug, um ihre Familien zu ernähren. Den frischen Fisch bringt jeder Fischer, sobald er zurückkommt in die Markthalle gleich gegenüber des Strandes und verkauft ihn persönlich ohne Zwischenhändler an den Endkunden. An manchen Tagen fangen sie auch Hummer, den sie direkt bei den Yachten vor Anker anpreisen – so sind auch wir zu unserem ersten eigenen Hummer-Erlebnis gelangt.

Der Beruf scheint für die jungen Männer attraktiv zu sein und die Fischer genießen einen guten Ruf.

Wenn das Meer zu rau ist, wie vergangene Woche, dann bleiben die Boote an ihren Bojen, dann gibt es im Restaurant keinen Fisch sondern Hühnchen. Hühner laufen hier en masse auf der Straße herum.

Wenn eine angesehene Person des Ortes stirbt, gehen alle auf die Beerdigung und helfen bei den Vor- und Nachbereitungen, dann haben die Restaurants geschlossen und gefischt wird erst am nächsten Tag wieder.

 

Wir erkundeten derweil die Bucht mit dem Kajak, bewunderten schnorchelnd die Fische bei den Korallenriffen, gingen wandern durch den Regenwald, auf den nächsten Hügel, zum nächsten Strand oder am Wasserfall entlang oder grillten am Ufer. Das alles meist nicht allein, sondern entweder mit unseren zwei französischen Freunden, mit denen wir nun seit einem Monat zusammen reisen, oder mit anderen Yachties, wie den Australiern vom Nachbarboot, denen um ein Haar Haus und Hof in der Heimat bei den Buschfeuern abgebrannt ist, während wir klitschnass durch den Regenwald liefen. Dann aber drehte der Wind glücklicherweise in die andere Richtung – mancher ihrer Freunde hatte weniger Glück. Sobald sie wieder zu Hause sind, werden sie beim Wiederaufbau helfen.

 

Den Süden und damit die Hauptstadt der Insel haben wir einmal besucht. Dort ist es weniger idyllisch, mehr Tourismus, viele Menschen, dreckige Straßen. Der Transport funktioniert hier so: Entweder man nimmt den Bus für 50 Cent bis 1€, der mehr oder weniger alle zwei Stunden fährt, und wenn er mit 12 Personen voll ist, dann wartet man auf den nächsten. Oder man hält den Daumen raus, denn Privatpersonen dürfen hier auch offiziell Fahrgäste mitnehmen. Dann hält innerhalb weniger Minuten einer an, der in die gewünschte Richtung fährt. Man hat sich idealerweise vorher erkundigt, was der übliche Preis ist, auf den man sich dann einigt und so gelangt man für 1-6€ p.P. überall hin. Benzin kostet hier halb so viel wie in Deutschland, daher ist es ein lukratives Geschäft, selbst wenn die Fahrer für uns einen Umweg quer über die Insel fahren.

 

Also sind wir mit dem Boot dort geblieben, wo es am schönsten ist, nämlich in Charlotteville und wollen nächste Wochen mit meiner Patentante Cristina, die uns aus den USA besuchen kommt, über ein paar Buchten gen Süden segeln.

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Fan Armin (Montag, 20 Januar 2020 22:32)

    ... endlich ein Bericht ... zum lesen und träumen ... auch wenn nichts passiert, ist es spannend ...
    fernsehen brauche ich nicht ...
    liebe Grüße, ein Fan ...
    ... wie auf der Schatzinsel ... ich denke ihr habt euren / einen Schatz gefunden ...

  • #2

    Lorena (Donnerstag, 23 Januar 2020 14:16)

    Träumchen!

  • #3

    Rainer von Marée (Samstag, 25 Januar 2020 21:26)

    Eine Traum. Toll angekommen - ihr und dort. Etwas Fernweh spür ich doch. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag nachträglich.

    Ganz liebe Grüße

    Rainer & Anne

  • #4

    Armin (Dienstag, 28 Januar 2020 23:56)

    ... ein Gruss am Abend, aus Worms, über den Atlantik ...