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Der Vulkan

Bequia, eine der Grenadinen, ist eine kleine Insel. Wir wollten zusammen mit einem holländischen Paar eine Wanderung zur anderen Seite machen, waren voll ausgestattet mit dicken Wanderschuhen, aber selbst auf Umwegen hat es nur eine halbe Stunde gedauert. Dafür saßen wir umso länger an der Strandbar, die daheim Gebliebenen sollten nicht auf die Idee kommen, dass wir faul wären!

 

Am nächsten Tag ging die ganze holländisch-deutsche Truppe von acht Leuten bis zum nördlichsten Zipfel der Insel, das dauerte immerhin eine ganze Stunde. Dort besichtigten wir eine Schildkröten-Aufzuchtstation, die ein berenteter Fischer gegründet hat.

Sie erhöhen die Überlebenswahrscheinlichkeit der Tiere deutlich, indem sie die Eier am Strand aufsammeln und die Schildkröten bis zu ihrem 6. Lebensjahr groß ziehen, bevor sie in die Wildnis entlassen werden. Denn die meisten Schildkröten sterben in den ersten Lebensjahren, bzw. schaffen es erst gar nicht aus dem Ei ins Wasser – die Hauptbedrohung sind übrigens die Menschen mit ihren Umwelteinflüssen, wer hätt‘s gedacht. 

Auch wenn man davon hier noch nicht viel mitkriegt, so viele, wie hier an den Ankerplätzen zu sehen sind.

 

 

Der Wind stand günstig und die Gruppe wollte weiterziehen, so dass wir uns anschlossen und einen gemütlichen Tag nach St. Vincent segelten.

Hier schlägt einem die Armut gleich entgegen. Kinder und ein paar Männer kommen auf Surfbords oder selbstgebauten „Booten“ aus Holz mit kaputten Paddeln auf einen zu, wenn man in die Bucht einbiegt. Sie wollen einem beim Ankern helfen und konkurrieren dabei, sodass man von allen Seiten belagert und bequatscht wird. Man fürchtet den einen gleich umzufahren, weil er direkt auf den Bug zupaddelt, während eins der anderen Kinder, so dachte ich, gleich an Bord hüpfen wollte, so wie er sich gebärdete, gleichzeitig muss man sich auf sein Ankermanöver konzentrieren – das war Stress.

Als wir fertig geankert hatten, stellte sich heraus, dass sie Obst verkaufen, einen bei der Wanderung begleiten oder einfach Kekse oder Obstsaft geschenkt bekommen wollten. Wir kauften eine Kleinigkeit, um unsere Ruhe zu haben, aber ein gutes Gefühl hatten wir nicht.

 

Unsere französischen Freunde waren schon ein paar Tage länger hier und versicherten uns, sie seien harmlos, ihnen wäre nichts weggekommen, aber man muss natürlich nachts alles aus dem Dinghy und dem Cockpit mit reinnehmen, die Bachskisten abschließen, keine Luken auflassen usw. 

 

Den Stress wurden wir bei einem Drink bei den Nachbarn schnell los, als ein Waldbrand direkt am Hang neben uns ausbrach. Wir wussten nicht, ob es ein gelegtes Feuer war, das kommt hier häufiger vor, aber es breitete sich recht unkontrolliert aus. Nach ein paar Stunden begrenzte es sich selbst. Die Insel sieht sehr grün und feucht aus, eigentlich untypisch, dass gerade zu Sonnenuntergang ein Brand ausbricht. Am nächsten Tag hörten wir, dass dort eine „medizinische Hanfplantage“ vergrößert werden soll und dafür die Fläche abgebrannt wurde. Aha. 

 

Als wir am nächsten Tag an Land gingen waren wir einerseits positiv überrascht von der romatischen Schönheit der Insel und dem Idyll, die Frauen waschen ihre Wäsche im Fluss und die Kinder baden sich – andererseits trafen wir die Männer um halb neun auf der Straße mit Rum in der Hand und auch der Grasgeruch wehte uns regelmäßig um die Nase. Was wäre diese Welt ohne Alkohol und Drogen...

 

Die Wanderung zum Vulkan Soufrière brachte uns an unsere Grenzen, denn Beine und Pumpe sind inzwischen völlig untrainiert - (anders als die Leber). Trotz des frühen Starts brutzelten wir in der Sonne und der Weg war hindernisreich mit gefühlten 100 kleinen Bächen, die man überqueren musste, bis man am Startpunkt war. 

Dann ging es in einem ausgetrockneten Flussbett bergauf, malerisch. So malerisch, dass wir nicht merkten, dass wir schon längst nicht mehr auf dem Wanderweg, sondern 200m daneben waren, der Weg musste irgendwo vom Flussbett abgebogen sein. Wir also zurück, den nächsten Pfad nach links eingeschlagen. Dort den Berg raufgekrachselt in der Hoffnung, wir würden auf unseren Wanderweg kommen, bis wir feststellten, dass uns mindestens eine tiefe Schlucht und ein sehr steiler Hang trennten, auch wenn wir Luftlinie nur 50m neben dran gewesen sein mussten. Also wieder Retour, wir wollten unbedingt auf den Vulkan. Nach 1,5 Stunden Umweg fanden wir den richtigen Pfad. Der „Soufrière“ liegt auf ca. 1000m über dem Meeresspiegel, die letzten Höhenmeter waren ein Kampf. In der Höhe war es dann nicht mehr so heiß, sondern plötzlich wahnsinnig windig und die Nebelschwaden zogen über den Krater hinweg, in der Nase hatte man einen leichten Schwefelgeruch. Als wir nach dem längst nicht so mühsamen Abstieg und insgesamt 8,5 Stunden fast pausenlosem Wandern wieder am Boot ankamen, waren wir völlig erschöpft und stolz mal wieder körperlich an unsere Grenzen gegangen zu sein.

 

Nach einem Ruhetag sind wir in zwei Tagesetappen nach Martinique weiter gesegelt, wo wir schon bald unseren nächsten Besuch, nämlich meinen Papa empfangen. 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Matthias (Freitag, 13 März 2020 14:29)

    Einfach nur großartig, da braucht man doch nur mit nem Drink und netten Leuten an Deck zu sitzen und den Tag vorbeiziehen zu lassen! Wenn dieser blöde Corona mich nicht mit Reiseeinschränkungen stoppt, setz ich mich Mittwoch dazu!!! Danke für die Vorfreude und schöne Tage! Papa

  • #2

    Cristina (Sonntag, 22 März 2020 01:23)

    Matthias, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich beneide!!!!!!!!! Trotz Corona spüre ich immer noch die Erholung von meinem Trip. Vielleicht sollten wir alle uns in einem Jahr im warmen zum Segeln treffen?